"An Kokoschka erinnere ich mich äußerst gerne.
Ich habe Professoren gehabt, die sich wie Professoren benahmen, aber Kokoschka war für mich ein väterlicher Mensch, überhaupt nicht erhaben. Wir waren nicht für ihn da, er war für uns da.
Kokoschka war als Spiritus rector eine große Persönlichkeit. Ich habe bei ihm nicht Malen, sonder Sehen gelernt. Wie malt man auf weißes Papier mit transparenten Aquarellfarben in einer 1/4 Stunde eine weißgekleidete Frau vor einer weißen Wand?! Wenn ich mich erinnere, wie er in Salzburg auf der Festung war, erscheint es mir wie ein Traum. Ich lief jeden morgen nach oben, um die Seilbahn zu sparen. Ich malte in einem riesigen Saal mit etwa 250 Schülern Aquarell, nach einem sich bewegenden Modell . So etwas hatte ich noch nie zuvor gemacht. Dann kam dieser immer fröhlich scheinende Mensch zu mir, machte einen Riesenaufstand, so dass die Leute zusammenliefen und schickte mich in einen Raum, in dem nur 15 Schüler arbeiteten. Er musste mich noch ein weiteres Mal auffordern, dahin zu gehen, ich konnte nicht begreifen, dass er mich gemeint und auserwählt hatte. Ich begreife eigentlich erst jetzt beim Niederschreiben welche Auszeichnung das war. Ich konnte doch gar nicht gemeint sein.
Seine Bonbons, die er für gelungene Arbeiten verteilt hatte, habe ich gesammelt. Nicht eines davon habe ich gegessen. Das waren Kostbarkeiten. Hatte er keine Bonbons mehr, so verteilte er seine Magenpillen... mit Gebrauchsanweisung...!
Ich erhielt nie ein böses Wort von ihm, auch nicht eines das pädagogisch zum Anstacheln gebraucht wurde. Ich wurde von ihm sanft und aufmerksam behandelt, und ich habe gearbeitet. Meist machte ich zwei Aquarelle in einer 1/4 Stunde. Nach den vier Wochen wollte ich weiter malen, doch ich war erschöpft und nicht mehr fähig.
Kokoschka zahlte auch meine Gebühren und meinen Aufenthalt, ich weiss nicht, wie ich dazu kam. Wie gesagt, meine zwei Salzburgaufenthalte in den Jahren 1958 und 1959 erschienen mir wie ein sehr schöner Traum.
Mir sind danach die Augen aufgegangen. Als hervorstehendste Eigenschaften empfand ich seine Wärme, Heiterkeit und sein Engagement. Er war für uns da. Ich bin sehr dankbar, so einen Menschen erlebt zu haben. Ich hörte, dass er jedesmal krank war, nachdem er sich für uns verausgabt hatte, dieser so vitale Mensch."
Roland Ladwig